red white puzzleAm 29. Juli ist das Strommarktgesetz in Kraft getreten. Das Gesetz soll laut BMWI den Strommarkt „fit für die Erneuerbaren Energien“ machen. Die politische Kritik an dem Gesetz drehte sich um gewisse Tendenzen, diesem Programm entgegen alte Strukturen zu schützen, etwa durch Regelungen zur Erhaltung von Braunkohlekraftwerken als Kapazitätsreserve.

Nachdem der große politische Diskurs weiterzog, verschrecken Nachrichten über eine kleine Änderung im EEG, die das Gesetz mit sich bringt, Investoren in erneuerbare Energien.  Dies betrifft § 19 EEG, der um ein „Doppelförderungsverbot“ ergänzt wird. Nach dieser Regelung darf für Strom, der nach dem EEG gefördert und der durch ein Netz durchgeleitet wird, nicht zugleich eine Steuerbegünstigung nach § 9 Abs, 1 Nr. 1 und Nr. 3 des  Stromsteuergesetzes in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch bei Förderung mittels lediglich „kaufmännisch-bilanzieller Durchleitung“ durch das Netz. Die Regelung sollte mit dem EEG 2017 ohnehin kommen, gilt jetzt aber rückwirkend bereits ab 1.1.2016.

Das ist dramatisch für wenige sehr spezielle Geschäftsmodelle – nämlich solche, die Förderung für die Direktvermarktung in Anspruch nehmen und zugleich – für denselben Strom – Stromsteuerbefreiung. Dies ist möglich in einem Netz mit reinem EE-Strom oder wenn der Strom aus einer Anlage unter 2 MW stammt und im räumlichen Zusammenhang vom Anlagenbetreiber selbst oder dessen direkten Kunden (letzt)verbraucht wird. Die ansonsten häufig kaum rentable – weil ungeförderte, aber EEG-Umlage-belastete – dezentrale Verwertung von EE-Strom konnte nämlich so doch noch rentabel sein: Die Förderung des Netzstroms und die durch die  Stromsteuerbefreiung erreichbare Entlastung von ca. 2ct/kWh verschafften dezentralen Projekten, die den Strom trotz Netzdurchleitungskosten über das Netz transportierten, aber im räumlichen Zusammenhang verwerteten, trotz Belastung mit den Netzdurchleitungskosten einen kleinen Vorteil. Dieser wurde ohnehin mit dem EEG 2017 kassiert, das aber erst Anfang des kommenden Jahres in Kraft tritt. Durch die mit dem Strommarktgesetz bewirkte rückwirkende Änderung des EEG 2014 ist dieser Vorteil nun schon ab 1.1.2016 hinfällig.

Projekte, die  beide Vorteile nutz(t)en, müssen nicht – wie man meinen könnte – mit Nachforderung der Stromsteuer durch das Finanzamt rechnen. Denn sie können die Stromsteuerbefreiung wirksam in Anspruch nehmen. Stattdessen droht die Rückforderung der Förderung.

Dies ergibt sich erst aus der Zusammenschau der Regelungen im Stromsteuergesetz sowie in §§ 19 Abs. 1a EEG (neu) und § 25 Abs. 1 Nr. 3 EEG (neu). An den Befreiungstatbeständen des Stromstgesetzes ändert sich nichts. Bei Inanspruchnahme der Förderung „darf“ aber keine Stromsteuerbefreiung mehr „in Anspruch genommen werden“ –  eine an sich unsinnige Formulierung, denn Strom, der unter die Befreiungstatbestände fällt, „ist“ nach dem StromstG von der Stromsteuer befreit. Allerdings bedarf es zur steuerfreien Entnahme des Stroms nach § 9 Abs. 4  einer „Erlaubnis“, die beantragt werden muss. Wer die Förderung in Anspruch nimmt, „darf“ also diese Erlaubnis nicht mehr beantragen, um die gesetzlich auch weiterhin bestehende Stromsteuerbefreiung „in Anspruch zu nehmen“. Was passieren soll, wenn er dies dennoch tut, wird in § 25 Abs. 1 Nr. 3 EEG (neu) gesagt: Der anzulende Wert, d.h. die Förderung, verringert sich auf null.

Das ist eine in manchen Fällen unverhältnismäßig harte und unnötige Rechtsfolge. Denn Betreiber kleinerer oder älterer Anlagen laufen Gefahr durch Unkenntnis der unnötig komplizierten Regelung Förderansprüche zu verlieren, die die Stromsteuer weit übersteigen – faktische eine Bestrafung für Betreiber dezentraler Modelle, die wohl zu gierig erschienen. Dass  solche Projekte  (Steuer-) Vorteile brauchen könnten, um erneuerbare Energien dezentral und ohne neue Hochspannungstrassen rentabel zu errichten, bleibt außer Betracht.

Der größte Vorwurf aber ist ein rechtstechnischer: Warum, wenn dieser Schritt schon nötig erschien, hat der Gesetzgeber nicht einfach die Stromsteuerbefreiung entsprechend eingeschränkt? Das hätte ausgereicht, um den kleinen Sondervorteil dezentraler erneuerbarer Energien, der hier noch verblieben war, zu beseitigen. Stattdessen hat man die kompliziertest mögliche unverständlichste denkbare Regelung ersonnen, mit unverhältnismäßigen Rechtsfolgen für den, der sie übersieht. Die wohl nur oberflächlich durchdachte Konstruktion führt zudem auch für den sorgfältigsten Betroffenen zu  unnötigen Rechtsproblemen: Denn die Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 StromStG ist personenbezogen – wer ungefördert erzeugten Strom steuerfrei entnehmen will, muss sie beantragen, um sie zu erhalten. Er darf dies aber wiederum nicht, wenn er für anderen Strom die Förderung in Anspruch nehmen möchte. Eine Zwickmühle, die gerade den Betreibern vieler kleinerer Anlagen noch erhebliche Schwierigkeiten machen könnte.

Nicht betroffen hiervon sind aber Betreiber von Anlagen, die Strom in den gängigen Modellen gegen Vergütung oder mittels geförderter Direktvermarktung einspeisen und nicht selbst verbrauchen. Sie selbst nehmen hierdurch  für den eingespeisten/direkt vermarkteten Strom keine Stromsteuerbefreiung „in Anspruch“ – und wenn der Direktvermarkter dies ohne ihre Kenntnis täte, kann von einem „Verstoß“ des Betreibers kaum die Rede sein. Solche Fälle sind auch praktisch kaum denkbar, schon weil die Veräußerung an Dritte zur Vermarktung im öffentlichen Netz die Befreiungstatbestände der Stromsteuer faktisch ausschließt. Lediglich bei einem speziellem Modell, nämlich der kaufmännisch-bilanzieller Durchleitung an einen Direktvermarkter und stromsteuerfreiem Rückkauf des diesem wirtschaftlich überlassenen, aber vor Ort verbrauchten Stroms, kann die Regelung greifen. Wer in solchen Modellen arbeitet, sollte Beratung einholen.

Nicht problematisch ist die Inanspruchnahme der Stromsteuerbefreiung für Strom, der ungefördert zur Eigenversorgung entnommen wird. Das gilt auch, wenn Förderung für den restlichen, ins Netz eingespeisten Strom in Anspruch genommen wird.

Für Investoren in erneuerbare Energien  wird das Gesetz ansonsten eher mittelbare Auswirkungen zu haben, etwa durch gewisse Stellschrauben bei der Netzauslegung, die die Abschaltung von Erneuerbaren bei Netzüberlastungen wahrscheinlicher machen.

Weitere Neuerungen, wie Änderungen bei der Registrierung von Anlagen, müssen erst noch von der Bundesnetzagentur umgesetzt werden.

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