Die heute veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum „Glühlampentest“ vom 4. November 2015 (VIII ZR 244/14) bringt Ungemach für Betreiber von Photovoltaikanlagen, die die der vor Geltung des EEG 2014 vermeintlich gegebenen Möglichkeiten, sich ohne endgültige Installation einen Inbetriebnahmezeitpunkt zu sichern, Gebrauch gemacht haben. Dieser Inbetriebnahmezeitpunkt ist wegen der regelmäßig sinkenden Förderung (Degression) entscheidend für die Höhe der Einspeisevergütung, die der Betreiber für den produzierten Strom verlangen kann.
Die Clearingstelle EEG und viele Juristen hatten in der Vergangenheit jede Stromerzeugung der einzelnen Solarzellen nach deren Auslieferung an den Betreiber als Inbetriebnahme ausreichen lassen. Anlagen, die kurz vor den für die Degression der Vergütung maßgeblichen Zeitpunkten noch ausgeliefert, aber nicht mehr montiert werden konnten, wurden deshalb häufig mittels Anschlusses von Glühlampen („Glühlampentest“) oder anderer Gleichstrom-Verbrauchern, manchmal auch nur eines Meßgerätes, provisorisch („kaufmännisch“) in Betrieb genommen, um den jeweils noch geltenden Vergütungssatz des EEG zu sichern.
Dem wurde jetzt durch das höchste ordentliche deutsche Gericht eine Absage erteilt. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Inbetriebnahme einer Anlage auch im Sinne des EEG 2009 erst vorliegt, wenn die technische Betriebsbereitschaft der Anlage am Bestimmungs- und Einsatzort der Anlage hergestellt ist und die Anlage ortsfest installiert und in Betrieb gesetzt wird. Dies entspricht der mit Inkrafttreten des EEG 2014 auch im Gesetz verankerten Regelung.
Dass die Inbetriebnahme der PV-Anlage erst mit der ortsfesten Installation der gesamten Anlage gegeben ist, leitet der BGH aus dem Anlagenbegriff ab. Diesen sieht er völlig anders, als die Clearingstelle EEG. Nicht die einzelnen Module als einzeln funktionierende Generatoren werden als Anlagen im Sinne des EEG betrachtet, sondern vielmehr die Gesamtheit der Module und Installationen als ein einziges „Solarkraftwerk“. Der BGH stellt auf das funktionale Zusammenwirken aller in den (Strom-) Produktionsprozess eingebundenen Module und Montageeinrichtungen ab. Der Glühlampentest, der nur die Stromproduktion eines einzelnen Moduls herbeiführt, scheidet damit als ein taugliches Mittel der Inbetriebsetzung aus.
Für diese reicht es nach Auffassung des BGH gerade nicht aus, dass mit den einzelnen Modulen überhaupt Strom erzeugt werden kann. Vielmehr muss Betriebsbereitschaft der gesamten Anlage in dem Sinne vorliegen, dass bestimmungsgemäß und dauerhaft Strom in das Netz geliefert werden kann. Dies ist erst dann der Fall, wenn die einzelnen Module auf den bestimmungsgemäßen Ort verbracht und dort aufgestellt und mit den weiteren Installationen verbunden werden. Die Anlage muss also noch nicht ans Netz angeschlossen, aber anschlussbereit sein.
Nicht ausreichend ist dagegen, die noch in einer Halle auf einer Fläche, die nicht dem künftigen Aufstellungs- und Netzanschlussort entspricht, eingelagerten Module provisorisch Strom erzeugen zu lassen. Denn hier fehlt ein auf die dauerhafte Inbetriebnahme gerichteter Wille.
Wegen der Bedeutung des BGH für die Rechtsprechung aller Gerichte in Deutschland gilt damit faktisch der heute für Neuanlagen geltende Begriff der Inbetriebnahme (EEG 2014) rückwirkend auch für Altanlagen, die vor 2012 in Betrieb genommen worden sind. Der jeweils durchgeführte Glühlampentest ist rückwirkend betrachtet unwirksam und der tatsächliche Inbetriebnahmezeitpunkt nach Maßgabe der neuen Kriterien des Bundesgerichtshofes zu belegen. Für Alt-Anlagenbetreiber hat dies massive wirtschaftliche Folgen. Es ist zu erwarten, dass die Netzbetreiber die Inbetriebnahme-Zeitpunkte der einzelnen Alt-Anlagen prüfen werden und die eventuell zu hoch angesetzte Vergütung zurückfordern und die Vergütungshöhe rückwirkend ändern werden.
Link zur Entscheidung des BGH vom 4.11.2015 Az. VIII ZR 244/14 im Volltext.
Von Rechtsanwalt Peter Nümann und Rechtsreferendarin Tatjana Leonhardt.
Verfasser: Peter Nümann